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Ein Gefühl zu schweben ...

Wer Naturlandschaften liebt, schätzt Rückzugsorte, in denen die Federführung der Natur obliegt. Eine Atmosphäre, die diesen Einklang bietet, erleben Besucher des Recknitztals – vor allem zu Morgen- und Abend-stunden auf dem Wasser.

 

Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt liegt inmitten des Naturschutzgebietes „Unteres Recknitztal“ der Wasserwanderrastplatz Marlow. Hier sind wir mit Martin Hagemann verabredet – am späten Nachmittag bei bereits tief stehender Sonne. Martin Hagemann ist eigentlich Informatiker. Seinen Beruf hat er jedoch vor Jahren an den Nagel gehängt, um als zertifizierter Natur- und Landschaftsführer den Gästen des Küstenvorlandes zu zeigen, wie wundervoll die Flusslandschaft abseits von Stränden und Boddenwiesen ist. Eine Passion, wie er gesteht.

Als wir ankommen, werden bereits die ersten Paddel und Schwimmwesten ausgegeben. Einige Teilnehmer halten Mückenspray in den Händen. Lauwarme Spätsommerabende am Wasser erscheinen prädestiniert für diese Plage. „Braucht ihr nicht“, erklärt Martin Hagemann. „Nicht, wenn wir direkt auf dem Wasser sind. Da wartet keine Mücke auf Beute!“ Die Skepsis bleibt, zumindest bei denjenigen, die sich dann doch akribisch einreiben. Währenddessen bekommen wir nicht nur einen ausführlichen Überblick über die hiesige Tierwelt, sondern auch die letzten Instruktionen, um als Anfänger beim Einstieg ins Kanu nicht über Bord zu gehen. Wir sind beruhigt!

Von Mai bis September führt Martin Hagemann regelmäßig über diese idyllischen Wasserwege. Dass es sich um echte Rückzugsorte handelt, wird bereits klar, als wir die letzten Wochenendhäuser hinter uns gelassen haben. Refugien für die Natur, aber auch für Menschen, die sich auf diese Natur einlassen wollen.

Die Chancen stehen heute gut, besondere Tiere zu beobachten: Schreiadler zum Beispiel, und Biber – die zweitgrößten Nager der Welt. Daher versuchen wir, laute Gespräche zu vermeiden. Paddelschläge reduzieren wir auf ein Minimum. Seicht gleiten wir auf spiegelglattem Wasser. Biber sind noch nicht zu sehen, doch viele ihrer Spuren: Wir passieren verlassene Burgen in zugewucherter Vegetation, Uferzugänge und viele Nagestellen. Vogelzwitschern in der Ferne untermalt die Kulisse. Ab und zu raschelt es im Schilf, und auch kleine Wasserblasen, die zur Oberfläche aufsteigen, unterbrechen die Stille für Sekunden. Auf uns Stadtmenschen wirken diese Momente sonderbar und wundervoll zugleich. „Mich faszinieren diese Touren auch nach vielen Jahren noch. Es ist ein Gefühl zu schweben. Am liebsten würde ich hier Stunden verbringen“, erklärt unser Guide. Wir verstehen das sofort. Es gleicht einem Meditationskurs.

Mittlerweile fahren wir der untergehenden Sonne entgegen. Zwei Kolkraben ziehend krächzend an unseren Kanus vorbei und lassen sich auf einem toten Baum nieder. In großer Höhe passieren Kraniche in Formation. Vor uns dreht eine Schwanenfamilie ihre Kreise, bevor sie in einen Seitenarm einbiegt, der grundsätzlich nicht befahren werden darf. Und dann, wie aus dem Nichts, platscht es heftig im Uferwasser. Kurz ist dunkles Fell im ausklingenden Tageslicht zu sehen, das nach einer Weile wieder untertaucht. Stille.

Diese Augenblicke sind das schöne Finale einer Tour, die uns für einen kurzen Moment den Kontrast zu unserem hektischen Alltag vor Augen führt. In einer Landschaft, die wir hier im Küstenvorland nicht erwartet haben.

 

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Text: Paolo Schubert